Liebe Leserinnen und Leser,

kurz vor Ende des Jahres erreichte eine neue Studie weltweit Aufmerksamkeit, die auch auf der Klimakonferenz in Belém, Brasilien, diskutiert wurde. International renommierte Klimaforscher um Michael Mann von der Pennsylvania Universität in den USA und Johann Rockström vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung schreiben, dass 10 Jahre nach der Unterzeichnung des Klimaabkommens von Paris 22 von 34 planetaren vitalen Lebenszeichen negatives Rekordniveau erreicht haben, unter anderem der fossile Energieverbrauch, Fleischkonsum und CO₂-Emissionen. Der Tagesschau sagte der Frankfurter Klimaforscher und Co-Autor der Studie Nico Wunderling, dass manche Entwicklungen im Erdsystem inzwischen nicht mehr umkehrbar sein könnten. „Dadurch, dass wir jetzt eineinhalb Grad überschreiten werden, bringen wir entscheidende Kipppunkte des Erdsystems in Gefahr. Und das ist der Amazonas-Regenwald. Das ist der Golfstrom als Teil der atlantischen Umwälzzirkulation oder auch Eisschilde auf Grönland oder der Antarktis.“

Seit langem ist bekannt, dass die Vereinbarungen von Paris uns zwar laut Berichten des UN-Umweltprogramms vor einer globalen Erwärmung von 3,4 Grad bewahren und wir derzeit eher in Richtung 2,8 Grad zum Ende des Jahrhunderts steuern. Aber wer will das schon als Erfolg feiern? Wo stehen wir also heute, 10 Jahre nach Paris? Und vor allem, was können wir ändern?

Soziale Kipppunkte

Für eine Antwort müssen wir gar nicht weit suchen, nicht in Klimadaten, nicht bei den neuen Rekordzahlen für Solar- und Windanlagen weltweit, nicht in der Politik, sondern bei unseren Nachbarn und in unserem sozialen Umfeld. Denn in der oben genannten Studie finden sich auch die sogenannten „sozialen Kipppunkte.“ Analog zu den Kipppunkten im physischen Klimasystem sind dies Konstellationen in Gesellschaften, Institutionen und Wirtschaft, die beschleunigte Klimamaßnahmen durch Kaskaden auslösen, sobald eine kritische Schwelle überschritten ist.

Greta Thunberg brachte es mit den Fridays for Future bis zu Kanzlerin Merkel und vor die UN in New York. Auch wenn sie heute noch umstrittener ist als damals, so hat sie ihre Spuren unwiederbringlich bei all den Scientists, Mamas, Omas und Opas for Future hinterlassen, die heute weiterhin für das Klima aktiv sind. Oder der Hambacher Forst, wo bei einer Großdemo im Herbst 2018 auf einmal 50.000 Menschen im Wald demonstrierten und zwei Jahre später die Bundes- und drei Landesregierungen den Erhalt des Forsts beschlossen. Die Forschung zeigt, dass anhaltende und gewaltlose Proteste große Transformationen auslösen können, auch wenn sie nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung ausgehen.

Und hier liegt eine Gefahr: Obwohl solide Mehrheiten in fast jedem Land der Welt weitreichende Klimamaßnahmen unterstützen, glauben die meisten Menschen, sie seien in der Minderheit und ziehen sich in der Folge zurück.

Ein Schlüssel zur Lösung kann hier der Forschung zufolge der soziale Gedanke sein. Die Motivation für Klimaschutz nimmt zu, wenn Maßnahmen als sozial gerecht wahrgenommen, Menschen mit verschiedenen Einkommen einbezogen sowie die möglichen Lasten gerecht verteilt werden. Und am größten ist die Unterstützung für Klimaschutz in Entwicklungsländern, in denen Menschen schon heute weitaus stärker von Klimafolgen betroffen sind, während sie selbst kaum oder gar nicht zur Erderwärmung beigetragen haben.

Afrika: Neue Technologien für mehr negative Emissionen

Bei atmosfair ging es dieses Jahr im globalen Süden vor allem in Afrika mit neuen Technologien und Verfahren voran. Wir haben mit unserem Partner Octavia Carbon die erste Direct Air Capture-Anlage in Kenia errichtet, die CO₂ mit Filtern direkt der Luft entzieht und anschließend vor Ort im tiefen Basaltgestein dauerhaft einspeichert. Und wir haben die Pflanzenkohleproduktion auf Ecuador, Namibia und Ghana ausgeweitet. In Ghana war ich im September und konnte sehen, wie Kleinbauern die Reste von Kakaoschoten in Pflanzenkohle verwandeln. Dank unserer Kleinpyrolyseanlagen können sie jetzt die Abfälle aus ihrer Landwirtschaft nutzen, um ihre Böden zu verbessern. Eine Bäuerin zeigte mir stolz, wie die Pflanzenkohle im Boden ihren Amaranth schneller wachsen lässt als die Düngung mit reinem Tierdung. Aber auch aus Ecuador und Nepal gibt es News von unserer Arbeit.

Nur 3,5%

Die Schwelle für positive soziale Kipppunkte in Gesellschaften ist erstaunlich gering, sie liegt nur bei 3,5% der Bevölkerung. Und das sind doch mal gute Neuigkeiten: Wir sind nicht allein, und wir können auch schon zu wenigen viel bewirken!

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihr Engagement und wünsche Ihnen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von atmosfair ein gutes neues Jahr!

Herzliche Grüße,

Ihr Dietrich Brockhagen
Geschäftsführer atmosfair

P.S.: atmosfair wächst und sucht engagierte Mitarbeiter mit technischem Hintergrund für unsere Klimaschutzprojekte weltweit. Haben Sie Interesse? Hier finden Sie die aktuellen Stellenausschreibungen von atmosfair und Solarbelt.

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