Liebe Leserinnen und Leser,

und sie geht doch, die Energiewende, wenn man nur will: McKinsey untersucht in einer gerade veröffentlichten Studie (Link: „how the European Union could achieve net-zero emissions at net-zero cost“) Wege für die Europäische Union, bis 2030 die CO₂-Emissionen um 55% zu reduzieren, bis 2050 das net-zero-Ziel zu erreichen und dabei sogar wirtschaftlich zu profitieren.

Der Energiesektor kann danach die Klimaziele am schnellsten erreichen, gefolgt vom Verkehrssektor inklusive der Umstellung auf Elektromobilität. Schwieriger und länger dauern wird es für den Gebäudesektor, die Industrie und die Landwirtschaft. Vor allem dabei gefragt: Politischer Wille.

Für die EU-Energiewende sind laut McKinsey bis 2050 Investitionen von ca. einer Billion EUR jährlich nötig. Das entspricht zufällig genau dem Volumen, was wir bei atmosfair an Investitionen für die Energiewende Nord-Süd veranschlagt haben.  Während in der EU der European Green Deal das Geld mobilisieren soll, fehlen für die Energiewende Nord-Süd jährlich 700 Milliarden EUR.

In Teil zwei unserer Newsletter Reihe gehen wir nach dem Interview mit Bärbel Höhn in Teil 1 nun darauf ein, wie die Energiewende auch im globalen Süden funktionieren kann, welche Rolle atmosfair dabei einnimmt und warum vor allem private Akteure entscheidend für den Erfolg sind. Denn mit Ihren Beiträgen können wir die Finanzierunglücke schließen und die Energiewende vorantreiben.

Im dritten Teil unserer Reihe werden wir Ihnen in den nächsten Wochen unsere neuen Klimaschutzprojekte vorstellen.

Wir freuen uns über Ihr Feedback zu diesem Newsletter und wünschen Ihnen und Ihren Familien eine besinnliche und vor allem gesunde Adventszeit.

 

Ihr Dietrich Brockhagen
Geschäftsführer atmosfair

 

p.s. Mehr zur Energiewende Nord-Süd und der Rolle von atmosfair-Projekten finden Sie im Jahresbericht 2019.

 

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Das Interesse an Klimaschutz wächst. Das merken wir nicht zuletzt an den vielen Fragen unserer Spender und Kunden zu unserer Arbeit, die uns 2019 erreicht haben. Einige davon sind so grundlegend, dass wir sie hier ausführlich beantworten wollen

atmosfair baut mit seinem Partner SUNfarming Gewächshäuser in Madagaskar, die auf dem Dach Solarstrom produzieren.

1.1 Bei dem Wachstum von atmosfair: Gibt es ausreichend neue Klimaschutzprojekte? Findet ihr genug davon?

Ja. Klimaschutzprojekte bei atmosfair sind meist nicht isolierte Projekte mit festen Grenzen, sondern technische Lösungsansätze, die skalieren können. Wir verschaffen Menschen im globalen Süden Zugang zu sauberer Energie. Hier klafft derzeit eine riesige Lücke – noch 2016 waren laut International Energy Agency über eine Milliarde Menschen weltweit ohne Zugang zu elektrischer Energie, ganz zu schweigen von grüner Energie.

700 Milliarden Euro fehlen jedes Jahr für den weltweiten Umstieg auf erneuerbare Energien.

Um das 1,5°C Ziel von Paris noch zu erreichen und den Klimawandel in beherrschbaren Grenzen zu halten, müssen Treibhausgasemissionen weltweit bis 2050 auf null sinken. Denn energiebedingte CO₂-Emissionen machen über 60% aller CO₂-Emissionen aus. Eine globale Energiewende hin zu ausschließlich erneuerbaren Energiequellen bis 2050 ist deshalb unumgänglich. Der Wissenschaftler Dmitrii Bogdanov hat aufgezeigt, dass dies bereits heute technisch realisierbar und bis 2050 auch wirtschaftlich umsetzbar ist. Dennoch klafft eine riesige Lücke zwischen aktuellen und benötigten Investitionen. Jährlich bedarf es für den Umbau der Energiesysteme einer Billion Euro, doch bisher werden jährlich nur rund 300 Milliarden in die Wende investiert. Die Finanzierungslücke von 700 Milliarden Euro jährlich müssen wir möglichst schnell schließen – aber wie? Staaten werden dieses Problem aus ihren Haushalten nicht lösen können. Die notwendigen Investitionen werden hauptsächlich über private Unternehmen kommen müssen. Und diese müssen grüne Produkte haben, die sich lohnen und gleichzeitig für zahlungsschwache Haushalte bezahlbar bleiben. Eine echte Herausforderung.

Der Privatsektor ist entscheidend – besonders im globalen Süden

Dringend gebraucht werden deshalb Anreize für die Verbreitung erneuerbarer Energien im globalen Süden: Während die Menschen dort die Folgen der langjährigen Nutzung von Kohle, Gas und Öl als Energieträger im weltweiten Vergleich am deutlichsten spüren, sind dort immer noch 800 Millionen Menschen ohne Strom. Dass diese für ihre Energieversorgung auf erneuerbare Energien zurückgreifen können und nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, wird für das Erreichen des 1,5°C Ziels entscheidend sein. William Kamkwamba beschreibt in seiner Autobiographie „Der Junge, der den Wind einfing“ eindrücklich was es bedeutet, in Malawi als Sohn eines kleinen Landwirts mit wenig Geld und ohne Strom aufzuwachsen. Aus Schrott und Teilen eines Fahrrads baute er mit 14 Jahren ein 5 Meter hohes Windrad, um die Hütte seiner Eltern mit elektrischem Licht zu versorgen. Endlich konnte er nach Einbruch der Dunkelheit lesen.

atmosfair leistet Anschubhilfe

Privates Engagement und den Aufbau von Geschäftsmodellen im globalen Süden anschieben: Das ist der Ansatz von atmosfair. Unsere Antwort auf die Frage dieses Kapitels ist: Ja, wir brauchen noch deutlich mehr Klimaschutzprojekte, um der Energiewende Schubhilfe zu geben. Es liegt am Geld, nicht an fehlenden Projekten. Die Lücke von 700 Milliarden Euro jährlich für die Energiewende wird atmosfair alleine nicht schließen können. Aber wir können durch unsere Klimaschutzprojekte den Weg für weitere private Akteure ebnen.

700 Milliarden Euro jährlich fehlen für die globale Energiewende

1.2 Was macht ein atmosfair Klimaschutzprojekt aus?

Wohltätigkeit ist keine wirksame Basis für den Klimaschutz

„Mich hat sehr beeindruckt, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Es geht hier nicht um Wohltätigkeit. Mit diesem Projekt fördert atmosfair Wirtschaftsakteure. Fachleute aus ganz Indien arbeiten im Projekt für gutes Geld.“

Peter Stahlhofen, Freund und Mitarbeiter der Toten Hosen, bei der Senfernte in Tonk

Dies erzählt Peter Stahlhofen nach seinem Besuch des von atmosfair geförderten Biomassekraftwerks in Tonk, Rajasthan, Indien. Peter ist langjähriger Mitarbeiter und Freund der Band ‚Die Toten Hosen‘, die mit einem Teil der Ticketerlöse ihrer letzten Tour das Klimaschutzprojekt in Tonk unterstützt hat.
Mit seinem Eindruck von unserem Projekt beschreibt Peter treffend, was ein Klimaschutzprojekt von atmosfair ausmacht – und was nicht: atmosfair unterstützt mit den Klimaschutzbeiträgen seiner Kunden Unternehmen, NGOs oder Organisationen in den Gastländern darin, Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, die neue Technologien verbreiten helfen und uns so einen Schritt weiter bringen bei der globalen Energiewende. Mit Wohltätigkeit hat dies wenig zu tun. Denn atmosfairs Projekte sollen sich langfristig auch ohne Förderung wirtschaftlich tragen.

 

Wohltätigkeit ist kein Fokus - atmosfair fördert grüne Wirtschaftsakteure

Klimaschutzprojekte sollen sich langfristig selbst tragen

atmosfair möchte mit den eingenommenen Klimaschutzbeiträgen einen möglichst großen Effekt für das Klima und die Menschen vor Ort erzielen. Dies erreichen wir, indem wir gezielt Projekte entwickeln, welche die lokalen Partner nach Ende der Anschubphase auch ohne unsere zusätzliche Förderung fortführen können, so dass wir uns dem nächsten Projekt zuwenden können. Wir schieben unsere Projekte durch unsere Förderung an, indem wir neben reinen Zuschüssen auch Kredite zu günstigen Konditionen weit unter dem Markt vergeben. Ein Beispiel dafür ist unser Projekt Solarkioske in Ghana, welches wir auf Seite 22 detailliert vorstellen. atmosfair ermöglicht hier den Bau von 25 Solarkiosken in Dörfern, die nicht an das Stromnetz angeschlossen sind. Die Kioske bestehen aus einem Solarmodul auf dem Dach und mehreren Fächern, in denen die Dorfbewohner gegen eine Gebühr Solarlampen laden können. Mit diesen Gebühren deckt unser Partner die laufenden Kosten für den Betrieb und die Wartung. Die Einnahmen reichen sogar aus, um den Bau weiterer Kioske zu finanzieren. Insgesamt 200 Anlagen sollen so in Folge realisiert werden.

1.3 Welche Rolle spielt atmosfair in der weltweiten Energiewende?

Es klingt wie David gegen Goliath: atmosfair hatte 2019 Einnahmen von gut 20 Millionen Euro. Wir decken damit also weniger als ein Promille des Finanzbedarfs der Energiewende. Was kann atmosfair angesichts dieser großen Finanzierungslücke ausrichten?

Die Lücke füllen, wo es noch keinen Markt für neue Technologien gibt

Letztlich kann der Umbau der Energiesysteme nur gelingen, wenn private Akteure, wie Unternehmen und Investoren, ein wirtschaftliches Interesse daran haben. Die Kosten für den Einsatz erneuerbarer Technologien, z. B. zur Stromerzeugung aus Biomasse oder Solarenergie, müssen soweit sinken, dass sich ihre Entwicklung und ihr Einsatz finanziell lohnen, und ein Markt entsteht, auf dem private Akteure tätig werden können.

Doch insbesondere in den Ländern des globalen Südens gibt es diesen Markt für viele Technologien noch nicht. Hier wird atmosfair aktiv: Wir füllen die Lücke, wo es noch keinen Markt gibt, und treiben die Weiterentwicklung der Technologien soweit an, dass sie für den Privatsektor interessant werden. Wir identifizieren die Barrieren, welche die Technologien aus wirtschaftlicher Sicht unrentabel machen und unterstützen unsere lokalen Partner dabei, sie zu überwinden. Die Bandbreite der von atmosfair geförderten Technologien reicht dabei von einfachen Haushaltstechnologien wie effizienten Öfen, über Solaranlagen mit Mini-grids, bis hin zu Großanlagen wie Biomassekraftwerken.

Ein Solarkiosk unseres Partners Sunhut Limited in Ghana. Dorfbewohner können gegen Gebühr Solarlampen laden und langfristig abkaufen.

Anschieber sein, heißt finanzielle Risiken übernehmen

Es gibt verschiedene Hindernisse, die privaten Unternehmen bei der Verbreitung erneuerbarer und energieeffizienter Technologien im Weg stehen. Die häufigste Barriere ist finanziell. Oft fehlt es an Kapital für die Anschaffung von Technologien. Wenn es private Kreditgeber gibt, sind deren Konditionen meist ungünstig, da Sicherheiten fehlen. Zinssätze von 20% oder mehr pro Monat sind in Afrika keine Seltenheit. atmosfair leistet daher z.B. in Madagaskar wie in vielen seiner Projekte Anschubfinanzierung. Wir stellen
Darlehen mit Zinsen im Bereich von 1-2% pro Monat und überdurchschnittlich langer Laufzeit zur Verfügung, welche es den Betreibern ermöglichen, Solarstrom günstig an die Haushalte der Region zu verkaufen. Wir tragen mit unserer Investition zugleich das Projektrisiko: Sollte der Betreiber durch den Verkauf des Stroms nicht genug einnehmen, um das Darlehen zu tilgen, wird atmosfair die investierten Gelder nur anteilig oder gar nicht zurückerhalten.

Netzwerke aufbauen und die richtigen Akteure zusammenbringen

In unseren Klimaschutzprojekten bringen wir die richtigen Akteure zusammen.

Allerdings trägt atmosfair in der Regel nicht die gesamte Finanzierungssumme alleine. In Madagaskar deckt atmosfairs Beitrag je nach Standort 30-50% der Projektkosten. Diese Förderung senkt die Finanzierungssumme und das Risiko soweit ab, dass auch andere Investoren einsteigen können. Indem wir die richtigen Akteure zusammenbringen, erzielen wir mit unseren investierten Mitteln eine Hebelwirkung.

Kosten für Mini-Grids und Solar Home Systeme in Abhängigkeit der Siedlungsdichte. (Quelle: Franz, Peterschmidt, Rohrer & Kondev, 2014)

Vorreiter sein

atmosfair wählt für seine Projekte Länder, in denen wir besonders dringend gebraucht werden. Dies sind oft Regionen, in denen atmosfair Pionierarbeit leistet. So haben wir 2019 mit dem Aufbau einer lokalen Ofenproduktion in Kano im Norden Nigerias begonnen. Dieses Gebiet ist nicht zuletzt aufgrund der instabilen Sicherheitslage für private Investoren nicht attraktiv. Doch die Entwaldung schreitet gerade im Norden Nigerias rasant fort, und der Haupttreiber sind Familien, die Holz als Feuerholz einschlagen. Wir werden hier die ersten sein, die hochwertige Öfen aus Stahl produzieren. Genauso wie wir im Nordirak 2018 die erste Solaranlage in der Region aufgebaut haben, die dort ein ganzes Flüchtlingslager mit Solarstrom versorgt.

atmosfair als Vorreiter im Irak. Der Solarpark in Man Rashan erzeugt Strom für 1800 Haushalte im dortigen Flüchtlingscamp. Bei der Eröffnung im Februar 2019 durfte atmosfair Projektmanagerin Nele Erdmann zusammen mit Philipp Keil von der Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg das rote Band durchschneiden

1.4 Wie entwickelt atmosfair Klimaschutzprojekte?

„Wie entwickelt ihr eigentlich Eure Klimaschutzprojekte?“ So lautet eine häufige Frage unserer Spender und Partner. Obwohl jedes Vorhaben individuell ist, unterschiedliche Gruppen von Menschen betroffen sind und ein breites Spektrum an Technologien zum Einsatz kommt, geht atmosfair anhand eines klaren Fahrplans bei der Entwicklung vor, den wir hier vorstellen.

Die Entscheidung über das ‚was‘ und ‚wo‘

In einem ersten Schritt entscheiden wir, mit welchen Technologien und in welchen Ländern oder Regionen wir die größten CO₂-Einsparungen mit den Spendengeldern erreichen können. Wo im globalen Süden verschwindet der Wald besonders schnell? Was sind die Gründe dafür? Wie könnten wir am besten Abhilfe schaffen? Wir analysieren, welche Maßnahmen zur Entwicklungsstufe der Region passen (z. B. Mini-Grid oder dezentrale Solar Home Systeme) und entscheiden gemeinsam mit den Partnern und Nutzern vor Ort, welche Technologie wir einsetzen können, um lokalen Gewohnheiten gerecht zu werden. Bei der Planung denken wir auch über die eigentlichen Projektmaßnahmen hinaus und überlegen, wie wir mit unseren Projekten für die Entwicklung einer Region noch einen Schritt weitergehen können. So haben wir in Indien aus dem Abfallprodukt unserer Holzvergaseröfen eine Holzkohlekette aufgebaut, durch die Ofennutzer zusätzliche Einnahmen erwirtschaften und Kohlesammler eine gut bezahlte Arbeit finden.

atmosfair Projektleiterin Janine Adler im Planungsgespräch zum Umbau der Energieversorgung der Lodges entlang des neuen klimafreundlichen Trekkingpfades im Langtang Tal, zusammen mit unserem lokalen Mitarbeiter Bimal B.K. und Passang Tanang im Februar 2020 in Nepal

Starke Partner vor Ort sind entscheidend

Wenn wir die passende Technologie für eine Region unter technischen, wirtschaftlichen und Klimaschutzaspekten identifiziert haben, suchen wir nach geeigneten Umsetzungspartnern. Je nach Projekt benötigen wir Partner für den Bau und die Instandhaltung von Anlagen, den Vertrieb von Produkten wie Solarsystemen oder Biogasanlagen, und Lieferanten für die einzusetzende Technologie. Vor allem aber ist entscheidend, einen Partner vor Ort zu haben. Diese finden wir über Ausschreibungen oder über unser über die
Jahre gewachsenes Netzwerk. So fanden wir den Entwickler ANKA, einer unsere Partner im Projekt Madagaskar über eine Empfehlung des Berliner Batterieherstellers Qinous GmbH (siehe Interview mit ANKA Seite 21).

(Kein) Abfall: In unserem Projekt in Indien ist die Holzkohle, die beim Kochen in den Pyrolyseöfen entsteht, eine wichtige Einnahmequelle für die Familien und schafft Arbeitsplätze.

Nachhaltige Geschäftsmodell – es muss sich rechnen

Gemeinsam mit unseren potentiellen Partnern erarbeiten wir ein Geschäftsmodell mit belastbaren Zahlen. Wir legen fest, wie groß das Projekt in der ersten Phase werden soll und berechnen, wie viele CO 2 Emissionen es dabei einspart. Wir erstellen mit unseren Partnern das Konzept für die Beschaffung von Materialien und für Vertrieb und Vermarktung. Außerdem ermitteln wir die Art und Höhe unseres finanziellen Engagements. Dies hängt entscheidend von der eingesetzten Technologie und den lokalen Lebensverhältnissen ab. In
unserem Biogasprojekt in Kenia unterstützen wir Kleinbauern mit einem Zuschuss zu den Anschaffungskosten der Anlagen. In Madagaskar haben wir einen günstigen Kredit für den Bau eines Solarkraftwerkes an ein lokales Unternehmen vergeben. Wir bemessen die Art und Höhe unserer Förderung so, dass unsere Partner das Vorhaben umsetzen und die Endnutzer sich die saubere Energie leisten können, aber auch selbst einen Teil der Kosten übernehmen müssen. So haben sie einen Anreiz, die Technologien instand zu halten.

Projektprüfung in unserem Abfallprojekt in Indonesien: Die regelmäßige Prüfung unserer Projekte und der ständige Austausch mit unseren Partnern vor Ort lassen uns Verbesserungspotential schnell erkennen

Klein anfangen und groß ausbauen – geprüft durch den atmosfair Fachbeirat

Sind wir von unserem Partner und dem Projekt überzeugt, legen wir den Vorschlag unserem Beirat zur Genehmigung vor. Erst nach dessen Zustimmung schließen wir Verträge mit unseren Partnern und beginnen mit den Aktivitäten vor Ort. Bei neuartigen Projekten, die atmosfair in dieser Weise noch nicht realisiert hat, führen wir häufig zunächst einen kleinen Piloten durch. Erst wenn unsere Projekte die Pilotphase erfolgreich abgeschlossen haben, beginnen wir mit dem vollen Ausbau.
Während der gesamten Projektlaufzeit kontrollieren wir regelmäßig, ob die Maßnahmen wirken: Nutzen die Menschen die Technologie? Wieviel Strom erzeugen die Solaranlagen? Wieviel CO₂ spart unser Projekt ein? Die CO₂-Einsparungen bestätigen und dokumentieren dann jährlich unabhängige und UN-akkreditierte Prüfer. So können wir frühzeitig erkennen, wenn Probleme auftreten und wo es Verbesserungspotential gibt.

Unsere Partner in Ruanda beschäftigen zu 50% Frauen im Zusammenbau der Öfen

1.5 Ein Beispiel: Ruanda – vom subventionierten Ofenbausatz zur lokalen Produktion

Feuerholz ist die wichtigste Energiequelle zum Kochen – und der Wald ist fast verschwunden

Der Wald fehlt. Man sieht grasbewachsene Hänge oder Felder, aber keinen Wald – dies fällt bei einer Fahrt durch die hügelige Landschaft Bureras, einer Region im Norden Ruandas, sofort auf. Ruanda, hat, seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1962 60 % seiner natürlichen Waldfläche verloren. Pro Quadratkilometer lebten 2018 in Ruanda im Durchschnitt 499 Einwohner – mehr als doppelt so viele wie auf der gleichen Fläche in Deutschland. Als Energiequelle nutzen die Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten, vor allem Holz. Die in Ruanda üblichen 3-Steine Feuer verbrennen Holz nur ineffizient. Entsprechend hoch sind der Bedarf an Feuerholz und der Druck auf die verbliebenen Wälder.

Mit effizienten Save80-Öfen schützen wir die verbliebenen Wälder und das Klima

Deshalb haben wir bei atmosfair schon 2010 überlegt, mit welcher Initiative wir am besten gegen die fortschreitende Abholzung vorgehen und den Holzbedarf beim Kochen senken könnten. Wir entschieden uns dafür, Familien in Ruanda eine effizientere Alternative zum Kochen auf einem Drei-Steine-Feuer anzubieten: effiziente Öfen. Diese Öfen benötigen aufgrund ihrer Bauweise nur einen Bruchteil des Holzes, das ein traditionelles Drei-Steine-Feuer verbrennt. Ein Beispiel für diesen Ofentyp ist der Save80, der wie schon sein Name anklingen lässt, 80% Holz einspart. Die Handhabung erfordert nur eine sehr geringe Umstellung der Kochgewohnheiten. Dank Edelstahl und guter Verarbeitung hält dieser Ofen
sehr lange – mindestens 10 Jahre.

Unsere Partner vor Ort setzen sich neben dem Klimaschutz für die Abrüstung von Handfeuerwaffen und die Stärkung von Frauen ein

Um Umsetzungspartner in Ruanda zu finden, organisierten wir vor Ort eine große Konferenz und stellten dort unser Projektkonzept und den Save80 vor. In Einzelgesprächen mit interessierten Unternehmen und Organisationen klärten wir, welche Partner am besten geeignet wären. Wir entschieden uns für das Unternehmen SaferRwanda und die NGO Rwanda Women’s Network. SaferRwanda ist Baufirma für Solaranlagen und zudem in verschiedenen Friedensund Umweltprojekten engagiert, wie zum Beispiel Wiederaufforstung und Abrüstung von Handfeuerwaffen. Das Rwanda Women’s Network trainiert Frauen und bringt diese in den Arbeitsmarkt.

„Das Projekt hat meine Lebenssituation verbessert“, sagt Harriette Muhoza

Um die Technologie zu testen, stellten wir unseren neuen Partnern ab 2012 zunächst 500 in Deutschland vorgefertigte Bausätze zur Verfügung, die diese in Ruanda zu Öfen zusammenbauten und verkauften. Die zahlreichen Vorteile der neuen Öfen machten diese bei den Familien schnell sehr beliebt. Die Familien können das beim Holzeinkauf eingesparte Geld für andere wichtige Zwecke wie Bildung oder bessere Ernährung verwenden. Beim Kochen entsteht weniger Rauch als bei herkömmlichen Öfen oder offenem Feuer – das vermindert das Risiko für Augen- und Atemwegserkrankungen. Besonders gut gefällt den Ofennutzern die Wonderbox, die atmosfair in dem Projekt zusammen mit den Öfen an die Familien verkauft. In dieser Box aus festem und extrem haltbaren und abriebfesten Kunststoff werden die nur relativ kurz gekochten Speisen so gut isoliert, dass sie dort‚ „von alleine“ zu Ende garen.

Unsere Partner nutzten die Pilotphase um ein Konzept auszuarbeiten, wie sie den Zusammenbau und den Verkauf der Öfen vor Ort zu einem auch für kleine Einkommen bezahlbaren Preis dauerhaft realisieren können. Daraus entwickelte sich das erfolgreich laufende Modell: atmosfair trägt die Kosten für die Vorfertigung der Metallteile in Deutschland, sowie den Transport. Die Partner übernehmen und zahlen den Zusammenbau vor Ort und den Verkauf der Öfen an die Familien zu einem Preis, den diese sich leisten können. Nach der erfolgreichen Testphase begannen wir im Dezember 2013 das Projekt auszubauen. Inzwischen haben wir in Ruanda rund 55.000 Öfen verkauft, die regelmäßig genutzt werden – die ältesten bereits seit 7 Jahren, wie uns unabhängige Prüfer der UN zuletzt während der Projektprüfung vor Ort im Dezember 2019 bestätigten.

Produzieren statt Importieren: atmosfair baut eine lokale Ofenproduktion auf

In den vergangenen Jahren haben wir eine stabile Vertriebsstruktur aufgebaut. Nun gehen wir den nächsten Schritt und verlagern die Produktion der Öfen vollständig nach Ruanda. Noch dieses Jahr werden wir zusammen mit unseren Partnern mit dem Aufbau einer Ofenproduktion in Ruanda beginnen. atmosfair wird den Aufbau der Produktion unterstützen, sich dann aber in einigen Jahren Schritt für Schritt aus dem Projekt zurückziehen, wenn wir unser Ziel erreicht haben: Unsere Partner in die Lage zu versetzen, die Energiewende selbst voranzutreiben.

„Ich brauche jetzt nicht mehr jede Woche Holz oder Holzkohle für zehntausend Ruanda-Franc, sondern komme mit einem Drittel der Menge aus“ erzählt die 41-Jährige Esther Nirere

FAZ Artikel vom 24.11.2019 von Karin Finkenzeller, die unser Projekt in Ruanda besucht hat.