Zusammenfassung

Gesamteinsparung :Ca. 5.800 t CO2-Senke jährlich
Technologietransfer :Effiziente Holzvergaseröfen, die ungefähr 50% Feuerholz einsparen und das rauchfreie Kochen ermöglichen. Als Nebenprodukt beim Kochen entsteht Pflanzenkohle, welche als Basis des Bio-Düngers besonders in tropischen, sauren Böden zu erhöhten Ernteerträgen führt.
Lokale Umwelt :Vermeidung von Abholzung/ Entwaldung in der Region; Reduktion der Luftverschmutzung in Innenräumen; Regenerierung von ausgelaugten Böden; Verbessertes Wasserhaltevermögen der Böden
Weitere Vorteile :Zeit- und Kostenersparnis in der Brennholzbeschaffung; Weniger Atemwegserkrankungen durch fast rauchfreies Kochen; Zusätzliches Einkommen
Zielgruppe :Familien und Landwirte im ländlichen Indien
Arbeitsplätze :~40 neue Arbeitsplätze in der Kohleeinsammelkette, bei der Herstellung des Düngers und in der landwirtschaftlichen Beratung
Projektpartner :Sapient Infotech (kleines Unternehmen aus Kalkutta) und Somesh Dutta (Spezialist für nachhaltige Landwirtschaft)

In Indien produziert atmosfair Pflanzenkohle dezentral in den Dörfern östlichen von Kalkutta. Dabei benötigen wir keine teuren Maschinen. Die Pflanzenkohle wird mit Hilfe von unseren effizienten Holzvergaseröfen als Nebenprodukt beim Kochen hergestellt. Die Pflanzenkohle wird von unseren Field Agents monatlich von den Familien abgekauft und in unserer Anlage gemeinsam mit Kompost und Kalkstein zu einem Dünger verarbeitet. Diesen Dünger verkaufen wir an Landwirte in der Region. Durch die Nutzung des Düngers entsteht eine CO2-Senke, während gleichzeitig wertvolle Nährstoffe dem Boden beigefügt werden.

Das Pflanzenkohle-Projekt ist als Teilprojekt unsere effizienten Kochöfen in Indien entstanden. Im April 2023 haben wir ein Pilotprojekt mit 4 Dörfern durchgeführt. Aufgrund der positiven Rückmeldungen und der hohen Nachfrage haben wir im Dezember 2023 eine Anlage zur Herstellung des Düngers auf Pflanzenkohlebasis aufgebaut. Seit Januar 2024 läuft die Produktion. Wir arbeiten aktuell mit ~10.000 OfennutzerInnen zusammen. So können wir monatlich 300 Tonnen Pflanzenkohle zu 600 Tonnen Dünger verarbeiten.

Unsere effizienten Holzvergaseröfen

Die Ofentechnologie in diesem Projekt ist ein Holzvergaserofen, der an Haushalte verkauft wird, die Brennholz zum Kochen verwenden. Bei der TLUD-Technologie (Top-Lit Up-Draft) wird trockener Biomassekraftstoff (Holz oder Pellets) oben auf einem vertikalen Behälter angezündet, wodurch der Pyrolyseprozess gestartet wird. Während sich eine Pyrolysefront nach unten bewegt, bewegt sich das erzeugte Holzgas nach oben und wird beim Verlassen des Ofens mit Sauerstoff aus der Luft vermischt und in einer zum Kochen geeigneten Flamme verbrannt.

Das Kochen auf der Holzgasflamme, die durch die Vergasertechnologie entsteht, ist genauso komfortabel wie das Kochen auf einem LPG-Herd, ohne Rauch und mit einer sehr stabilen Flamme. Dies reduziert – insbesondere für Frauen und Kinder – die schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung in Innenräumen, die die Hauptursache für Lungenerkrankungen und Augenreizungen sind. Zusätzlich kann durch die hohe Effizienz des Ofens ungefähr 50 % Brennholz eingespart werden.

Während des Kochens erzeugt der Prozess der Holzvergasung als Nebenprodukt ca. 30 kg Pflanzenkohle pro Monat. Das Projekt bietet den Ofennutzer:innen an, die Pflanzenkohle abzukaufen. Die Haushalte haben durch den Verkauf der Pflanzenkohle einen regelmäßigen und sicheren Zuverdienst von jährlich fast einem Monatsgehalt bei ortsüblicher Bezahlung. Einmal pro Monat wird die produzierte Pflanzenkohle von unseren Field Agents bei den Familien eingesammelt. Im Zug dessen wird auch die Qualität der Pflanzenkohle geprüft. Die Pflanzenkohle wird anschließend in unsere Anlage zerkleinert und mit Kompost und Kalkstein zu einem Dünger vermischt und an Farmer in der Region verkauft. Sie ersetzen damit chemische Düngemittel.

Pflanzenkohle - ein Multitalent

Pflanzen nehmen mittels Sonnenenergie CO2 aus der Luft auf und bauen den Kohlenstoff in ihre Zellstrukturen ein. Sie entziehen der Atmosphäre damit auf natürlichem Wege CO2. Menschen können die Biomasse der Pflanzen zu Pflanzenkohle verarbeiten, bevor die Verrottung einsetzt und das CO2 wieder freigesetzt wird. In Form von Pflanzenkohle bleibt der Kohlenstoff über Jahrhunderte hinweg in der Erde gespeichert. Selbst dann, wenn die Pflanzenkohle einfach auf die obersten Bodenschichten ausgebracht oder untergepflügt wird. Pflanzenkohle widersteht den biologischen Abbauprozessen im Boden durch ihre besondere Struktur. Um dies sicher zu stellen, muss das Verhältnis zwischen Wasserstoff und organischem Kohlenstoff, aus dem die Pflanzenkohle zusammengesetzt ist, einen bestimmten Wert unterschreiten (Persistence of biochar in soil). Dieser Wert kann eindeutig im Labor getestet werden. Ist dieser Wert erreicht, sagt die Wissenschaft, dass nach 1000 Jahren noch mindestens 75 % des Kohlenstoffs sicher im Boden gebunden sind. Von diesem Anteil ziehen wir bei der Berechnung der negativen Emission alle weiteren Projektemissionen ab.

Pflanzenkohle hat viele weitere positive Effekte. Ähnlich wie bei einem DIN-A4-Blatt, das man durch viel Falten, Reißen und Drücken auf eine kleine Kugel zusammenpressen kann, bietet Pflanzenkohle auf kleinstem Raum viel poröse Oberfläche zur Bindung von Nährstoffen. Nach Vermischen mit Kompost führt sie so besonders in tropischen Böden zu Ertragssteigerungen bei der Ernte. Außerdem speichert die Pflanzenkohle das Wasser aus Starkregenereignissen während der Monsunzeit und gibt es über Wochen hinweg wieder an die Pflanzen ab. Damit verhindert sie als Wasserspeicher die Ausspülung von Nährstoffen aus dem Boden. Zusätzlich kommen weitere wichtige Faktoren zum Tragen: Die grundlegenden Kreisläufe des Ökosystems bleiben erhalten. Die Pflanzenkohle kommt wieder genau dort zurück in den Boden, wo die Pflanzen gewachsen sind. Wichtige Mineralien und Spurenelemente verbleiben im Boden, und der Boden laugt nicht aus. Pflanzenkohle verbindet so Kohlenstoffspeicherung mit nachhaltiger Landwirtschaft.

Die Region

In der Projektregion sind die Felder klein. Die Landwirte in Westbengalen besitzen durchschnittliche 0.77 ha Land, das sie hauptsächlich von Hand bewirtschaften. Sie sind Großteils in so genannten „Farmer Clubs“ organisiert. In diesen Farmer Clubs kaufen sie Düngemittel und verkaufen ihre Ernteerträge gemeinschaftliche. Auch die Traktoren werden gemeinsam gemietet um die Felder dreimal pro Jahr zu bestellt. Der Einsatz von chemischen Düngemitteln hat die Bodendegradation in Indien beschleunigt. Die Erträge gehen zurück, und die Landwirte sind auf der Suche nach alternativen Düngemitteln. Der Kohlenstoffgehalt der Böden ist aufgrund intensiver anorganischer landwirtschaftlicher Praktiken erschöpft. Heute stammen ~94 % der Nährstoffe aus anorganischen Düngemitteln und nur 7 % aus organischen Quellen. Biomasse muss dem Boden zurückgegeben werden, um seine Gesundheit wiederherzustellen. atmosfair hilft den Landwirten dies in die Tat umzusetzen.

Carbon Standards International (CSI)

Aktuell gibt es keine zulässige Methode unter dem Clean Development Mechanism (CDM) und dem Gold Standard zur Berechnung von Kohlenstoffsenken durch Pflanzenkohle, produziert in effizienten Kochöfen. Für die Zertifizierung hat atmosfair den Carbon Standard International (CSI) gewählt, welcher sich auf die Produktion und die Einbringung der Pflanzenkohle fokussiert. Die Berechnung der Kohlenstoffsenken ist im Vergleich zu anderen Standards als eher konservativen zu betrachten.

Klara Kellner
Projektmanagerin Klimaschutzprojekte
M.Sc. Bauingenieurwesen
+49 (0) 30 120 84 80 69