Ein aktueller Welt-Artikel von Axel Bojanowski dichtet der Stadt Hamburg und atmosfair unlauteres Vorgehen an.

1. Was wirklich geschah

Ende 2017 schloss die Umweltbehörde Hamburg, BUKEA, mit atmosfair einen Vertrag, demzufolge die Stadt Hamburg 75.000 Tonnen CO₂ kompensieren sollte, mit effizienten Öfen in Nigeria. Die atmosfair-Öfen werden in Nigeria überwiegend von Familien auf dem Land eingesetzt. Sie sparen dort 80 % Brennholz ein, so dass zum Kochen weniger Holz eingeschlagen werden muss und der Wald erhalten bleibt. Die CO₂-Zertifikate sollten dem Vertrag zufolge von atmosfair bis spätestens 2020 für Hamburg stillgelegt werden.

atmosfair hatte die Öfen dafür schon seit 2010 in Nigeria verteilt und die CO₂-Minderungen durch UN-akkreditierte Prüfer nach einer UN-Methode regelmäßig prüfen lassen (CDM, Clean Development Mechanism). Bei dieser Methode prüft der Prüfer, wie viele Öfen im Prüfungszeitraum korrekt im Betrieb waren und ermittelt damit die Menge an CO₂, die diese Öfen eingespart hatten. Dies ist ein sogenannter ex-post Ansatz: Es werden nur CO₂-Minderungen gutgeschrieben, die bereits erfolgreich erbracht wurden, von Öfen, die bereits vorhanden waren.

Die 75.000 Zertifikate für Hamburg mussten laut Vertrag nach diesem UN-Standard verifiziert und nachgewiesen werden. Unabhängig davon sollten von atmosfair ab 2018 insgesamt über mehrere Jahre 15.000 neue Öfen in Nigeria ausgeliefert werden.

Die Lieferung und Stilllegung der 75.000 Zertifikate mit den bereits früher verteilten Öfen wies atmosfair der Stadt Hamburg vertragsgemäß nach. Damit war die CO₂-Kompensation wie vereinbart erbracht und dokumentiert. Die neuen Öfen wurden wegen der anhaltenden Terroranschläge und Gewalt im Norden Nigerias (siehe hier: Amnesty-Berichte) erst ab 2021 in einer neuen von atmosfair in der Industriestadt Kano aufgebauten Fabrik von atmosfair selbst produziert und mit Verspätung an die Nutzer ausgeliefert. Diese Verzögerung war von atmosfair transparent an BUKEA kommuniziert worden.

Dafür gibt es Belege:

  • Die UN-Prüfberichte von unabhängigen und akkreditierten Prüfern über die vorhandenen atmosfair Öfen und deren CO₂-Minderungen sind öffentlich zugänglich auf der Website der Vereinten Nationen dokumentiert und gut auffindbar (PoA 5057, Links siehe hier https://cdm.unfccc.int/UserManagement/FileStorage/QJCEFD34Y0MBU5P8SWNIVA9HLK6ZR1 & https://cdm.unfccc.int/UserManagement/FileStorage/4C0MDKENQVRGFIY9WS61PAX85B73TH).
  • Der Rechnungshof der Stadt Hamburg legte Anfang 2025 einen Bericht vor (Jahresbericht des Rechnungshofs 2025), der auch das Projekt in Nigeria behandelt. Im Abschnitt „Auslieferung der Öfen in Nigeria erst Jahre später“ zitiert der Rechnungshof die BUKEA, „dass die Mittel für das Projekt eingesetzt worden seien, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt.“ Der Rechnungshof kommt in seinem Bericht trotz seiner Kritik an der Verspätung zu dem Schluss, „dass auch nach Auskunft von atmosfair die vertraglich für die Jahre 2017 bis 2019 zugesagte Lieferung der Öfen erst Jahre später stattgefunden hat“.
  • Die neuen Öfen sind von atmosfair in Nigeria an Familien verkauft worden. Darüber gibt es Verkaufsbelege. Diese enthalten naturgemäß personenbezogene Daten und können nicht veröffentlicht werden.

2. Was Herr Bojanowski dann schrieb

Lesen Sie selbst den Artikel hier.  Hier die wichtigsten Auszüge mit unseren Richtigstellungen:

„Wie Hamburg in Nigeria Öfen verkaufte, die es nicht gab“

Diese Überschrift des Artikels ist falsch: Die Öfen gab es. Dies wird belegt durch die öffentlich zugänglichen UN-Verifizierungsberichte für das Projekt (PoA 5067) aus den Jahren 2018 und 2019 (siehe oben).

„Auf Nachfrage von WELT äußerte sich Atmosfair undurchsichtig“

Richtig ist: atmosfair hat der WELT gesagt, dass die neuen Öfen wegen der Sicherheitslage und in Abstimmung mit der Behörde erst verspätet verteilt wurden.

„Zwar existierten die effizienten Herde, mit denen der Senat ab 2018 die Klimabilanz aufpolierte, nur auf dem Papier“

Das ist falsch, siehe oben. Der Senat kompensierte seine CO₂-Emissionen mit CO₂-Zertifkaten von existierenden Öfen in Nigeria. Das hatte atmosfair Herrn Bojanowski unmissverständlich mitgeteilt.

„Doch wie solche Zertifikate generiert werden konnten, ohne dass vor Ort neue Öfen standen, bleibt nebulös.“

Nein. Die oben genannten UN-Verifizierungsberichte  zeigen klar, dass die CO₂-Minderungen von bereits existierenden Öfen aus Nigeria kamen. Vielleicht hat die WELT nicht verstanden, dass ein Ofen jedes Jahr CO₂ einspart und dies auch jedes Jahr durch Prüfer verifiziert werden kann, solange der Ofen weiter in Betrieb ist. Es müssen nicht jedes Jahr neue Öfen hinzukommen. Auch die BUKEA hatte dem Rechnungshof bereits erklärt, dass die CO₂-Kompensation vertragsgemäß erfolgte. Das hat der Rechnungshof auch nicht bezweifelt.

„Wurden hier Einsparungen gutgeschrieben, die nur auf dem Prinzip Hoffnung beruhten?“

Nein, die Einsparungen kamen von den früheren Öfen in Nigeria, siehe oben.

„Der Rechnungshof stellt allerdings fest, dass eine Organisation der Vereinten Nationen (UN) einen Prüfbericht des „projektverantwortlichen Zertifizierers“ zu dem Projekt in Nigeria für den Beobachtungszeitraum von Juli bis Oktober 2019 bemängelt. Aus der Kritik geht hervor, dass ab 2015 keine neuen Öfen in dem Projekt hinzugekommen waren.“

Der Rechnungshof zitiert in seinem Bericht auf Seite 232 zwar einen UN-Verifizierungsbericht. Dieser ist aber für ein anderes Projekt (CDM 2711) und hat nichts mit der CO₂-Kompensation und den Öfen für Hamburg zu tun. Das hatte atmosfair dem Rechnungshof bereits 2024 mitgeteilt, der Rechnungshof hatte das aber in seinem späteren Bericht nicht berücksichtigt.

Zudem bezieht sich der Rechnungshof in diesem Projekt, das nichts mit Hamburg zu tun hat, auf im Verifizierungsbericht angemerkte „fehlenden Informationen“ (Seite 26 im UN-Verifizierungsbericht für CDM SSC 2711). Der Rechnungshof verschweigt aber dabei, dass in genau diesem UN-Verifizierungsbericht eine Seite später die Information als nachgereicht und der Punkt als erledigt abgehakt wird (Seite 27 im UN-Verifizierungsbericht für CDM SSC 2711).

Zwar kamen auch in diesem Projekt (CDM SSC 2027) im Jahre 2015 keine neuen Öfen hinzu. Dies hat aber nichts mit der Stadt Hamburg zu tun, denn diese kompensierte ihre CO₂-Emissionen in einem anderen Projekt mit anderen Öfen, wenn auch in Nigeria.

3. Wie Herr Bojanowski vorging

atmosfair erhielt Fragen von Herrn Bojanowski, die nach den Gründen für die Verspätung der Öfen und nach Belegen  für deren Verkauf sowie den CO₂-Zertifikaten und deren Ursprung fragten. Atmosfair nahm daraufhin Kontakt mit Auftraggeber BUKEA auf und teilte Herrn Bojanowski mit, dass die ausführlichen Antworten auf seine Fragen an die BUKEA gegangen seien, da BUKEA Auftraggeber von atmosfair war. Deswegen beschränkte sich atmosfair in seinen Antworten an Herrn Bojanowski auf Stichworte. Aber auch in diesen kurzen Antworten sagte atmosfair, dass die CO₂-Zertifikate aus den älteren Öfen in Nigeria stammten und die 15.000 neuen Öfen mit Verspätung verkauft wurden, wofür es externe Belege gab, die dem Datenschutz unterliegen.