Im neuen Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung wird Klimaschutz für die Luftfahrt neu ausgerichtet: „Unser Ziel ist es, die Modernisierung in der Luftfahrtindustrie in Richtung fairer Wettbewerb und Dekarbonisierung zu gestalten“, heißt es darin. An anderer Stelle steht jedoch: „Die über das EU-Maß hinausgehende Power to Liquid (PtL)-Quote schaffen wir sofort ab.“

Dabei wären positive Anreize gerade heute wichtiger denn je. Unsere eigene PtL-Anlage im Emsland funktioniert nach vier Jahren immer noch nicht annährend wie geplant, und unsere Hoffnungen auf funktionierende Produktion, mit denen wir im Sommer 2024 noch verhalten optimistisch waren, haben sich nicht bestätigt. In der Konsequenz müssen wir auch die atmosfair-Produkte ändern: Wenn Sie zukünftig bei atmosfair die CO₂-Emissionen Ihres Fluges kompensieren, können Sie zwar weiter die Produktion von CO₂-neutralem Kerosin fördern, aber eine bestimmte Menge versprechen wir nicht mehr. Lesen Sie mehr hier. Derzeit schauen wir uns alle Alternativen an, um Lösungen zu finden, inklusive Schritte gegen die Technologieanbieter.

Im niedersächsischen Werlte errichteten wir eine Pilotanlage, die Rohkerosin im Power-to-Liquid-Verfahren herstellt. Dazu nutzt sie Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO₂ aus der Luft.

Bei Vorträgen vor Fachpublikum im In- und Ausland bin ich manchmal überrascht, wie wenig Praxiswissen selbst bei Experten vorhanden ist. Beratungsfirmen malen unverdrossen Wachstumskurven für e-Kerosin auf, Forschungsprogramme an Universitäten und im Regierungsauftrag setzen funktionierende Technologie und Skalierung voraus. Dabei wird immer deutlicher, dass manche technologische Konzepte auf dem Weg vom Labor- zum Industriemaßstab stecken bleiben. Unserer Technologie im Emsland könnte es im schlimmsten Fall so ergehen wie in dem prominenten Fall von Choren aus den Nuller-Jahren im sächsischen Freiberg: Eine gehypte Zukunftstechnologie im Bereich der erneuerbaren synthetischen Kraftstoffe, mit viel Investorengeld auf einem Weg, der nach ein paar Jahren in die Insolvenz führt.

Aber es gibt auch gute Neuigkeiten: In einer großen Versuchsanlage in Wien haben wir erfolgreich weitere Fässer von Rohkerosin über die Gasifizierung von Abfallbiomassen produziert (Biomass to liquid, BtL). Die Anlage hat nominell das gleiche Produktionsvolumen wie unsere PtL-Anlage im Emsland, aber hier ist die Technologiereife deutlich höher. Jetzt sind wir dabei, mehrere Standorte in Ländern des globalen Südens zu prüfen, wo es genügend echte Reststoffe wie Holzschalen oder Klärschlamm gibt, um eine Produktionsanlage zu bauen.

Als gemeinnützige GmbH sind wir dem Klimaschutz und der Transparenz verpflichtet, auch wenn es nicht immer gute Nachrichten gibt. Aber der Weg ist gesetzt: Auch wenn große Synfuel-Projekte wie von Fulcrum in den USA scheitern und andere dauerhaft verschoben werden und nie in die Umsetzungsphase kommen: Den Kopf in den Sand zu stecken reicht nicht. Es mag nur ein schwacher Trost sein, dass keine andere Anlage erfolgreich e-Kerosin auf Industrieniveau produziert. Aber für den Flugverkehr auf der Mittel- und Langstrecke haben wir außer dem Verzicht leider keine Alternative.