Wann ist CO₂-Kompensation sinnvoll?

Kompensation kann aus Klimasicht sinnvoll sein, wenn u.a. die folgenden Mindestbedingungen erfüllt sind:

  • Es gibt keine realistische Alternative, die jetzt weniger CO₂ verursacht.
  • Es ist ein technologisches Entwicklungspotential hin zu einem CO₂-freien oder CO₂-armen Produkt vorhanden.
  • Bei der Umsetzung der Kompensation werden wichtige Standards eingehalten und die Mittelverwendung erfolgt transparent und vollständig im Projekt

Kompensation kann im Klimaschutz eine wichtige begleitende Rolle spielen. Auf dieser Seite haben wir Ihnen Informationen zu diesen Punkten zusammengestellt.

I. Ist meine Kompensation sinnvoll?

Warum Kompensation nicht reicht

Die Einhaltung des 2-Grad-Ziels erfordert eine Reduktion der globalen Treibhausgas-Emissionen bis 2050 von mindestens 80% gegenüber 1990, bis 2100 müssten die weltweiten Emissionen auf nahezu Null heruntergefahren werden.

Würde man theoretisch versuchen, die Emissionen des Globalen Nordens ausschließlich über Kompensation zu mindern, könnten die globalen Emissionen bis 2050 bzw. bis 2100 nicht in benötigtem Umfang gesenkt werden (vgl. Abbildung). Zwar würde in diesem Szenario der Treibhausgas-Ausstoß des Globalen Südens weitestgehend gesenkt,  jedoch würde der Globale Norden weiterhin Emissionen in vollem Umfang ausstoßen. Die globalen „Restemissionen“ wären demnach weitaus höher als der mit der Erreichung des 2-Grad-Ziels zu vereinbarende Treibhausgas-Ausstoß.

Oder anders ausgedrückt: alleinige Kompensation ist langfristig nicht zielführend, vielmehr müssen die Länder des Globalen Nordens selbst ihre internen Emissionen in großem Umfang verringern. Kompensation kann demnach nur „Behelfslösung“ sein.

Maximales globales Reduktionspotenzial durch Kompensation. Würden alle Emissionen des Globalen Nordens durch entsprechende Reduktion im Globalen Süden kompensiert, könnten die globalen Emissionen nicht in benötigtem Umfang gesenkt werden (THG-Emissionen 2004: IPCC 2007b).

CO₂-Reduktion vs. Kompensation

Kompensation kann daher allein nicht zielführend sein, sondern ist nur ergänzend zur notwendigen CO₂-Reduktion an der Quelle durch Innovation und Verbreitung der nötigen Technologien und Verhaltensweisen.

Innovation vor Kompensation, die Anforderungen von atmosfair an Unternehmenskunden für eine umfassende Klimastrategie

Durch Vermeiden und Reduzieren werden Innovationen angeregt. Deshalb setzen wir unseren Partnern zur Bedingung, dass sie Wege gehen, um auch über das Kompensieren hinaus in ihrem eigenen Kernbereich für den Klimaschutz innovativ tätig zu werden.

Beispiel 1 – CO₂-freier Trekkingpfad:

Zusammen mit unserem Partner forum anders reisen bringen wir neue Energie nach Nepal. Das gemeinsame Programm hilft dem von dem Erdbeben schwer gezeichneten Land beim Wiederaufbau und hat sich die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus auf die Fahnen geschrieben. Unser Ziel: Ein klimafreundlicher Trekkingpfad.

Dieser befindet sich nördlich von Kathmandu im Helambu Gebiet. 12 Lodges, 2 Schulen und 2 Krankenstationen nehmen an unserem Programm „Neue Energie für Nepal“ teil und erhalten Unterstützung von atmosfair beim Bau klimafreundlicher und erdbebensicherer Häuser. Die Gebäude sollen komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Auch für nachhaltige Energie- und Wasserversorgung wollen wir sorgen. Ein Architekten- und Ingenieurbüro besucht im ersten Schritt die teilnehmenden Dörfer, Lodges und Schulen und erarbeitet Vorschläge für Hausbau, Energie- und Wassersysteme.

Beispiel 2 – Elektrolux:

Dass der Flugverkehr einen wichtigen Kostenfaktor darstellt und die Vermeidung von Dienstreisen über den Wolken auch einen Beitrag zum Klimaschutz leistet, hat der schwedische Konzern Electrolux bereits vor mehreren Jahren erkannt. Seit der Kooperation mit atmosfair im Jahr 2006 nutzt Electrolux das atmosfair CO₂-Online-Tool in der unternehmenseigenen Buchungsstrecke. Bei jedem Reisewunsch werden damit in einem Zwischenschritt die CO₂-Emissionen des gewählten Fluges angezeigt und Alternativen vorgeschlagen. Ein direkter Link zur Software für Videokonferenzen macht so die Einsparung von Reisekosten und Emissionen noch attraktiver. Obwohl die Zahl der Meetings im Unternehmen um über 37% zunahm, konnten die Flugbuchungen so um 3,2% gesenkt werden.

Was kann überhaupt kompensiert werden?

Alle Produkte oder Dienstleistungen können in drei Kategorien eingeteilt werden. Kompensation ist nur in der dritten Kategorie sinnvoll.

Hier die drei Klassen mit Beispielen:

  1. Die Unverträglichen:  Hierzu gehören Produkte, die eine 2°C Welt mit 8 Milliarden Menschen nicht verträgt, wie z.B. täglicher Fleischkonsum aus Massentierhaltung. Die Kompensation von Steakhäusern etc. ist damit aus Klimaschutzsicht nur eine künstliche Verlängerung einer Sackgasse und damit kontraproduktiv.
  2. Die Auslaufmodelle: Dies sind Produkte, für die es jetzt schon eine gleichwertige klimafreundliche technische Alternative gibt. Die Entwicklung und der Aufbau dieser neuen Klimaschutztechnologien werden gebremst, wenn Geld der Verbraucher stattdessen in die Kompensation und damit in die Verbreitung von alten bzw. bestehenden Technologien fließt. Ein Beispiel ist die fossil basierte Stromproduktion. Diese zu kompensieren und als grünen Strom zu verkaufen, ist aus Klimasicht ein Schritt in die falsche Richtung.
  3. Die Wandelbaren: Dies sind Produkte, die prinzipiell noch zu CO₂-armen Produkten entwickelt werden können, für die die notwendige Technologie aber derzeit noch nicht oder nicht weit genug für den Markt entwickelt ist. Ein Beispiel sind Langstreckenflugzeuge. Für diese gibt es potentiell saubere CO₂-freie Treibstoffe(Power to Liquid), die komplett mit erneuerbaren Energien hergestellt werden können.  Heute sind aber diese Technologien nicht soweit verfügbar, dass eine Airline sie kaufen könnte, deswegen kann der Kunde sie auch nicht als (teurere) Alternative wählen. Nur in dieser Kategorie ist Kompensation sinnvoll, da sie nicht die bessere Lösung ausbremst (Auslaufmodelle) oder eine Sackgasse verlängert (Die Unverträglichen).

 

Während in der ersten Klasse Produkte eingeordnet werden, deren Konsum in bestehendem Umfang nicht mit den langfristigen Klimazielen vereinbar ist und daher auf lange Sicht zurückgefahren werden sollte, wird bei Produkten der Klasse II die Verwendung bereits existierender klimafreundlicher Alternativen empfohlen. Die Kompensation entstandener Emissionen sollte allein in der dritten Säule eine Rolle spielen. Hier werden Produkte eingeordnet, zu denen es derzeit keine zumutbaren klimafreundlicheren Alternativen gibt, bei denen aber eine Entwicklung hin zu klimaverträglichen Technologien zu beobachten ist.

Die Beschränkung auf die Kompensation von Produkten der Klasse III stellt sicher, dass keine im Sinne des Klimas veralteten und kontraproduktiven Technologien und Produkte aufgewertet werden und erhält somit genügend Innovationsdruck aufrecht, um den notwendigen Umbau der Energiesysteme nicht zu gefährden. Einzig für diese Produkte erscheint eine Kompensation demnach sinnvoll.

Die folgenden Produkte wurden untersucht und nach der obigen Methode bewertet.

II. Standards für Klimaschutzprojekte

Zusätzlichkeit

Zusätzlichkeit bedeutet, dass das Klimaschutzprojekt ohne die zusätzliche Finanzierung durch CO₂-Zertifikate nicht realisiert worden wäre. Einfach gesagt: das Projekt existiert nur, weil es auch über CO₂-Zertifikate finanziert wird.

Ist ein Klimaschutzprojekt nicht zusätzlich, so wird mit dem Geld eines Käufers von CO₂-Zertifikaten kein Klimaschutz betrieben, denn auch ohne dieses Geld würde das Projekt laufen und CO₂ vermeiden.

Zuletzt haben mehrere Studien die Zusätzlichkeit von Projekten im Kohlenstoffmarkt in Frage gestellt. Meistens wird die Zusätzlichkeit großer Wasser- und Windkraftwerke bezweifelt (>15 MW), denn diese lassen sich heute oft schon ohne die Einnahmen aus dem Kohlenstoffmarkt wirtschaftlich rentabel betreiben.

Je höher der Anteil der Kohlenstofffinanzierung an der Gesamtfinanzierung des Projektes, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Projekt zusätzlich ist. Fragen Sie Ihren Kompensationsanbieter, welcher Teil des Projektes durch den Kohlenstoffmarkt finanziert wird. Dadurch erhalten Sie einen ersten Hinweis darauf, ob Ihr Geld später auch wirklichen Klimaschutz betreibt.

Umwelt

Jede eingesparte Tonne CO₂ leistet einen Beitrag zum Umweltschutz, aber nicht jede Einsparungsmaßnahme ist deswegen automatisch und hundertprozentig gut für die Umwelt! Viele CO₂-Projekte lassen wichtige Aspekte des Umweltschutzes neben dem Klimaschutz unberücksichtigt oder tragen dazu bei, eine konsequente Ablösung von „schmutzigen“ Technologien und Konzepten hinauszuzögern.

Zum Beispiel lässt sich der CO₂-Fußabdruck von Haushalten durch den flächendeckenden Einsatz von Energiesparlampen deutlich reduzieren, der Einspareffekt wurde und wird dabei aber oft erkauft durch den Einsatz von hochgiftigem Quecksilber, das bei falscher Entsorgung in die Umwelt gelangt.

Das höchste Maß an Umweltintegrität wird erreicht durch die Kombination der beiden strengsten Zertifizierungsmethoden, die derzeit zur Verfügung stehen: Der CDM-Standard gewährleistet die zuverlässigste Kontrolle über tatsächlich eingespartes CO₂, und der “Gold Standard” stellt durch zusätzliche strenge Anforderungen sicher, dass keine anderen Umweltaspekte vernachlässigt werden.

Aufsicht

Die Klimaschutzprojekte sollen unter einer unabhängigen Aufsicht durchgeführt werden.

Hierzu ist  es wünschenswert, dass der Standard über ein unabhängiges Aufsichtsorgan verfügt, welches nicht vom Standard selbst berufen wird. Außerdem sollen Beschwerden gegen Projekte von jeder Person, also auch der allgemeinen Öffentlichkeit, direkt an das Aufsichtsorgan gerichtet werden können. Dieses Aufsichtsorgan soll transparente Versammlungen durchführen und u.a. einen Jahresbericht mit Analysen und Weisungen an den Standard vorlegen.

=> Zurzeit ist der Clean Development Mechanism der einzige Standard, der diese Bedingungen erfüllt. Das “Executive Board” ist das Aufsichtsorgan des CDM und alle Protokolle und Berichte sind hier öffentlich einsehbar: http://cdm.unfccc.int/EB/index.html

Kontrolle/Haftung

Jedes Jahr wird die Höhe der Emissionsreduktionen eines Klimaschutzprojektes von einer unabhängigen Prüforganisation (z.B. vom TÜV) bestätigt. Dazu reist ein/e unabhängige/r Prüfer/in in das Projektland und besucht über mehrere Tage Haushalte und Projektpartner vor Ort. Der/die Prüfer/in untersucht dabei, ob die Öfen in den Haushalten auch wirklich genutzt werden, die Solaranlagen funktionieren oder wir auch wirklich so viele Biogasanlagen gebaut haben, wie wir behaupten. Bei CDM-Projekten schickt der/die Prüfer/in den Prüfbericht im Anschluss direkt an die UN.

Ein guter Projektstandard zeichnet sich dadurch aus, dass der/die Prüfer/in für seine Angaben haftet. Nur dadurch kann eine strenge und gewissenhafte Überprüfung garantiert werden.

Doch auch der/die Prüfer/in sollte überprüft werden. Die UN akkreditiert Prüforganisationen, die CDM-Projekte besuchen und überprüfen dürfen nach strengen Kriterien. Sollten sich die Prüforganisationen nicht an die Regeln der UN halten, können sie ihre Akkreditierung und damit Prüferlaubnis verlieren.

Einen Vergleich der wichtigsten Kompensationsstandards finden Sie hier.

Kritische Literatur (Siehe Links unten)

III. Mittelverwendung

Auch die besten Standards stellen nicht sicher, können nicht sicherstellen, dass wesentliche Kriterien wie Zusätzlichkeit des Projektes erfüllt sind (siehe oben). Sie können jedoch den Kompensationsanbieter fragen, was mit Ihrem Geld im Projekt geschieht.

Fragen Sie Ihren Anbieter! Was passiert mit meinem Geld?

  • Welcher Teil meines Geldes wird direkt an den Projektbetreiber überwiesen?
  • Was konkret wird in dem Projekt von meinem Geld bezahlt (Mitarbeiter, Kauf von Technologie, Marketing)?
  • Wird mit meinem Geld das Projekt weiter ausgebaut?
  • Führt der Anbieter das Projekt mit eigenem Personal im Gastland durch?
  • Hat der Anbieter Einblick in die Bücher des Projektbetreibers?
  • Wie groß ist der finanzielle Anteil des Projektes, der über CO₂-Zertifikate finanziert wird?
  • Wo finde ich den letzten Jahresbericht (inkl. Finanzübersicht) des Anbieters?
  • Wie lange unterstützt der Anbieter schon das Projekt?
  • Was passiert mit dem Projekt wenn es keine finanzielle Unterstützung durch Zertifikate mehr erhält?